Einstweilige Verfügung Abmahnung: Wenn der Abmahner vor Gericht geht

Sarah Op den Camp
Sarah Op den Camp
12.11.2025
Mandant vor Urteil zu Einstweiliger Verfügung Abmahnung

Sie haben eine Abmahnung erhalten und fragen sich, was passiert, wenn Sie nicht reagieren? Die Antwort ist ernst: Eine einstweilige Verfügung kann binnen weniger Tage Ihre Handlungsfreiheit massiv einschränken.

Eine einstweilige Verfügung ist ein gerichtlicher Eilbeschluss, der eine drohende oder fortgesetzte Rechtsverletzung sofort unterbindet. Oft folgt sie auf eine erfolglose Abmahnung: Über 99 % der Unterlassungsfälle im Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht werden zunächst außergerichtlich abgemahnt. Reagiert der Abgemahnte nicht rechtzeitig mit einer ausreichenden Unterlassungserklärung, kann der Abmahner innerhalb weniger Tage beim zuständigen Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirken.

Diese wird meist ohne Anhörung des Gegners im Eilverfahren per Beschluss erlassen und zwingt zur sofortigen Unterlassung des beanstandeten Verhaltens. Bei Zuwiderhandlung drohen drakonische Ordnungsmittel: Ein Ordnungsgeld bis 250.000 €(ersatzweise bis zu 6 Monate Ordnungshaft) je Verstoß sind keine Seltenheit.

In diesem Artikel erfahren Sie aus der Perspektive einer erfahrenen Rechtsanwältin, wann und warum aus einer Abmahnung ein gerichtliches Eilverfahren wird, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und wie Sie sich strategisch wehren können.

Key Takeaways

  • Eine einstweilige Verfügung ist eine schnelle, vorläufige Gerichtsentscheidung, die meist auf eine Abmahnung folgt, wenn der Abgemahnte keine ausreichende Unterlassungserklärung abgibt. Sie wirkt wie ein sofortiges, befristetes Unterlassungsurteil.
  • Verfügungsanspruch (bestehender Unterlassungsanspruch) und Verfügungsgrund (Dringlichkeit/Eilbedürftigkeit) sind zwingende Voraussetzungen für den Erlass. Ohne akute Wiederholungsgefahr oder irreparablen Schaden wird keine eV erlassen
  • Eine einstweilige Verfügung kann ohne mündliche Verhandlung als Beschluss erfolgen. Allerdings forderte das BVerfG 2019 mehr rechtliches Gehör: Weicht der Antrag wesentlich von der Abmahnung ab, muss der Antragsgegner vorab gehört werden.
  • Schutzschrift: Abgemahnte können vorsorglich eine Schutzschrift im zentralen Register hinterlegen, um bei drohender eV ihre Verteidigung vorab darzulegen. Dies kann bewirken, dass das Gericht den eV-Antrag ablehnt oder zumindest eine mündliche Verhandlung anordnet.
  • Reaktionspflicht: Wer eine einstweilige Verfügung erhält, muss umgehend handeln – z.B. Widerspruch einlegen, Abschlusserklärung abgeben oder Hauptsacheklage erzwingen. Untätigkeit führt zu weiteren Kosten oder sogar Vollstreckungsmaßnahmen
  • Verteidigungsstrategien: Erfolgreich wehren kann man sich z.B. durch Anfechten der Dringlichkeit (wenn der Antragsteller zu lange gewartet hat), Einhalten aller Formvorschriften (Angriff auf Zustellungsfehler) oder Aufzeigen von Rechtsmissbrauch (z.B. bei "Schubladenverfügungen").
  • Kostenrisiko: Einstweilige Verfügungen sind teuer. Der Streitwert liegt oft im fünf- bis sechsstelligen Bereich (üblich mindestens 10.000 €), was Gerichts- und Anwaltskosten von mehreren tausend Euro auslöst

Abmahnung und einstweilige Verfügung – der Zusammenhang

Visualisierung Eskalationsstufen zu einstweiliger Verfügung

Die Abmahnung als Warnschuss

Eine Abmahnung ist eine außergerichtliche Aufforderung, eine Rechtsverletzung (z. B. Urheberrechts- oder Wettbewerbsverstoß) sofort zu unterlassen, meist in Verbindung mit Frist zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Sie dient dazu, den Streit ohne Gericht beizulegen.

Nach deutschem Recht ist eine Abmahnung zwar nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben, aber in § 13 Abs. 1 UWG ausdrücklich als Regelfall vorgesehen. In der Praxis geht daher in der Regel jeder Unterlassungsklage oder eV-Antrag eine Abmahnung voraus – neben dem Bemühen um außergerichtliche Einigung vor allem, um später Kostenersatz zu sichern.

Wann folgt die einstweilige Verfügung?

Reagieren Sie gar nicht, zu spät oder nur mit einer unzureichenden Unterlassungserklärung, kann der Abmahner den Unterlassungsanspruch gerichtlich im Eilverfahren durchsetzen. Typischerweise wird unmittelbar nach Ablauf der Abmahnfrist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.

Eine eV wird somit häufig schon wenige Tage bis wenige Wochen nach der Abmahnung erwirkt, um weitere Verstöße umgehend zu stoppen. Beispielsweise kann die Wettbewerbszentrale bei ignorierter Abmahnung binnen 1-2 Wochen eine gerichtliche Unterlassungsverfügung erwirken.

Wichtig ist dabei die Eilbedürftigkeit: Viele Gerichte nehmen an, dass ein Zuwarten von mehr als etwa 1 Monat nach Kenntnis des Verstoßes die Dringlichkeit entfallen lässt.

Ohne Abmahnung direkt zum Gericht?

Grundsätzlich möglich, aber riskant: In engen Ausnahmefällen kann eine eV ohne vorherige Abmahnung beantragt werden – etwa bei Produktpiraterie, wo eine Abmahnung dem Verletzer Gelegenheit geben würde, Fälschungen verschwinden zu lassen.

Zudem hat der Abmahner ein Kostenrisiko: Der Antragsgegner kann in der Gerichtsverhandlung ein sofortiges Anerkenntnis abgeben, wodurch oft der Antragsteller die Verfahrenskosten tragen muss. Daher gilt: Eine Abmahnung vorab ist meist empfehlenswert, um Kostennachteile zu vermeiden.

Unterschied: Abmahnung vs. einstweilige Verfügung

Eine Abmahnung ist eine außergerichtliche Warnung, wohingegen die einstweilige Verfügung eine gerichtliche Anordnung mit Vollstreckungswirkung ist. Durch die Abmahnung wird der Verletzer lediglich aufgefordert, freiwillig zu unterlassen.

Die einstweilige Verfügung hingegen erzwingt die Unterlassung: Bei Verstoß wird ein Ordnungsgeld an den Staat fällig, und Sie stehen unter unmittelbarem Gerichtsauftrag. Die eV ist wie ein "vorläufiges Urteil" – Sie werden gezwungen, das streitige Verhalten sofort zu stoppen.

Voraussetzungen: Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

Vorraussetzungen für einsteilige Verfügung

Damit ein Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt, muss der Antragsteller zwei zentrale Voraussetzungen glaubhaft machen: einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund.

Verfügungsanspruch

Damit ist der materielle Anspruch gemeint, den der Antragsteller mit dem Eilverfahren sichern will. In Unterlassungssachen bedeutet das konkret: Es besteht ein Unterlassungsanspruch wegen einer Rechtsverletzung (z.B. Wettbewerbsverstoß, Marken- oder Urheberrechtsverletzung).

Typische Verfügungsansprüche sind Unterlassung und Beseitigung, solange dadurch keine irreversiblen Zustände geschaffen werden. Auskunftsansprüche können in IP-Sachen ebenfalls im Wege der eV durchgesetzt werden, wenn die Verletzung offensichtlich ist.

Nicht zulässig sind hingegen Ansprüche auf Schadensersatz oder Geldzahlungen – solche Forderungen müssen im Hauptsacheverfahren geklagt werden.

Verfügungsgrund (Dringlichkeit)

Zusätzlich muss ein Eilbedürfnis vorliegen – es muss Ihnen unzumutbar sein, das reguläre Hauptsacheverfahren abzuwarten. Konkret: Durch die fortgesetzte Rechtsverletzung droht ein erheblicher, irreparabler Schaden.

Im Wettbewerbs- und Markenrecht wird die Dringlichkeit gesetzlich oft vermutet, solange der Antragsteller nicht zu lange zuwartet. In vielen OLG-Bezirken gilt als Faustregel: Kenntnis der Verletzung länger als etwa 1 Monat = fehlende Dringlichkeit.

Lässt sich der Antragsteller zu viel Zeit, geht man davon aus, dass die Sache doch nicht so dringend ist. Umgekehrt wird bei aktuellen Wettbewerbsverstößen die Dringlichkeit bejaht.

Glaubhaftmachung statt Beweis

Statt eines strikten Beweisnachweises genügt im eV-Verfahren die Glaubhaftmachung. Das heißt, der Antragsteller muss dem Gericht lediglich überwiegend wahrscheinlich machen, dass ihm der Anspruch zusteht. Als Beweismittel sind eidesstattliche Versicherungen, Screenshots, Urkunden oder Fotos zulässig.

Eine vollständige Beweisaufnahme findet nicht statt – das spart Zeit. Wichtig ist, dass alle relevanten Tatsachen sofort und schlüssig dargelegt werden, da Nachbesserungen später kaum möglich sind.

Ablauf des Verfahrens & "Waffengleichheit"

Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren visualisiert

Zuständiges Gericht & Antragstellung

Einstweilige Verfügungen in Wettbewerb-/IP-Sachen werden in Deutschland bei den Landgerichten beantragt (bei Landgericht herrscht Anwaltszwang, d.h. der Antragsteller muss einen Anwalt beauftragen). Örtlich ist oft der Ort der Verletzung oder der Antragsgegner zuständig. Durch den fliegenden Gerichtsstand im Wettbewerbs- und Markenrecht kann der Antragsteller aber häufig unter mehreren Gerichten wählen – er wird ein Gericht mit Erfahrung in Eilverfahren und strenger Linie gegen Verstöße auswählen. Einige LG (z.B. Hamburg, Köln, Düsseldorf) gelten als "beliebt" für solche Anträge, da sie schnell entscheiden und über Spezialkammern verfügen.

Der Verfügungsantrag wird als Schriftsatz eingereicht, inklusive aller Beweise (Screenshots, Abmahnungsschreiben, eidesstattliche Versicherungen etc.). Viele Gerichte haben für Verfügungsanträge sogar einen Eildienst, sodass in dringenden Fällen der Beschluss innerhalb von 24–48 Stunden ergehen kann.

Entscheidung ohne Anhörung

Typischerweise entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung und ohne Sie anzuhören. Diese einseitige Entscheidungsfindung spart Zeit, war aber umstritten.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 die Rechte der Antragsgegner gestärkt: Das "Recht auf prozessuale Waffengleichheit" verlangt, dass Sie zumindest irgendeine Form des Gehörs bekommen.

Eine vorherige Abmahnung kann dieses rechtliche Gehör ersetzen, sofern das Abmahnschreiben mit dem Antrag übereinstimmt. Verzichtet der Antragsteller auf Abmahnung oder weicht der eV-Antrag inhaltlich ab, darf keine eV ohne Anhörung erlassen werden.

In der Praxis wird heute oft zumindest eine schriftliche Stellungnahme eingeholt oder eine kurze mündliche Verhandlung anberaumt. Dies führte auch dazu, dass sogenannte "Schubladenverfügungen" als Rechtsmissbrauch angesehen werden.

Zustellung und Vollziehung

Ist die eV erlassen, muss der Antragsteller sie Ihnen zustellen. Wichtig: Die eV wird nur wirksam, wenn sie innerhalb eines Monats zugestellt wird. Versäumt der Antragsteller diese Vollziehungsfrist, verfällt die eV.

Erfolgt die Zustellung fristgemäß, ist die einstweilige Verfügung formal "vollzogen" und entfaltet ihre Bindungswirkung. Ab diesem Zeitpunkt müssen Sie das gerügte Verhalten strikt unterlassen.

Ordnungsmittel bei Verstoß

Ab Zustellung müssen Sie den Unterlassungsbefehl befolgen, selbst wenn Sie ihn für unbegründet halten. Ein Verstoß zieht Ordnungsmittel nach sich: Das Gericht kann ein Ordnungsgeld bis 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verhängen.

Jeder einzelne Verstoß kann separat mit bis zu 250.000 € geahndet werden. Daher ist oberste Regel: Sobald eine eV zugestellt wurde, unbedingt daran halten – egal ob Sie Widerspruch planen oder nicht.

Beispiel: Ein Online-Händler und Unternehmen, dem per eV untersagt wurde, eine bestimmte Werbeaussage zu tätigen, verwendet diese danach in drei neuen Social-Media-Posts – es drohen drei Ordnungsgelder, etwa je 10.000 € pro Post, an den Staat zu zahlen. Daher ist oberste Regel für Abgemahnte und Unternehmen: Sobald eine eV zugestellt wurde, unbedingt daran halten – egal ob man Widerspruch plant oder nicht.

Schutzschrift – Präventivmaßnahme gegen Überraschungsbeschlüsse

Eine Schutzschrift ist ein vorsorgliches Verteidigungsschreiben an die Gerichte. Sie wird von jemandem eingereicht, der damit rechnet, dass ein Gegner bald eine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragen könnte, z.B. weil vorher eine Abmahnung ergangen ist. Mit der Schutzschrift legt der potenzielle Antragsgegner dem Gericht seine Sicht der Dinge dar und nennt Argumente, warum eine eV unberechtigt oder unnötig wäre. Ziel ist es, das Gericht bereits vor der Entscheidungsfindung zu informieren, um einen einseitigen Beschluss zu verhindern oder zumindest eine mündliche Verhandlung zu erreichen.

Verfahren & Register

Früher musste man Schutzschriften an jedes in Frage kommende Landgericht separat schicken – was wegen des "fliegenden Gerichtsstands" sehr aufwändig war. Heute (seit 2016) gibt es ein zentrales elektronisches Schutzschriftenregister, auf das alle Gerichte Zugriff haben. Man reicht die Schutzschrift einmal ein (über das Online-Portal oder via Anwaltspostfach) und sie gilt bundesweit.

Wichtig ist, in der Schutzschrift alle möglichen Gerichtsstandorte zu benennen, damit klar ist, für welche Verfahren sie bestimmt ist. Die Schutzschrift bleibt 6 Monate gespeichert und wird danach gelöscht, falls kein Verfahren anhängig wurde.

Inhalt einer Schutzschrift

In der Schutzschrift sollte konkret auf den drohenden Antrag eingegangen werden. Typischer Inhalt: Sachverhaltsdarstellung aus Sicht des Abgemahnten, Entkräftung der Anspruchsgrundlage (z.B. kein Verstoß oder bereits abgestellt) und Argumente gegen die Dringlichkeit (z.B. Gegner hat selbst lange gewartet oder es droht kein irreparabler Schaden).

Auch formale Einwände (Unzuständigkeit des Gerichts, fehlende Aktivlegitimation des Antragstellers etc.) können genannt werden. Alle Aussagen sollten belegt sein (Screenshots, Dokumente, eidesstattliche Versicherungen analog zur Glaubhaftmachung). Die Schutzschrift wird vom Antragsgegner bzw. dessen Anwalt unterschrieben; ein Anwaltszwang besteht zwar nicht, aber anwaltliche Formulierung wird dringend empfohlen – insbesondere im Marken- und Wettbewerbsrecht, wo Details entscheidend sind.

Wirkung und Gerichtspraxis

Nicht jedes Gericht schaut routinemäßig ins Schutzschriftenregister. Daher sollten Sie in Ihrer Antwort auf die Abmahnung dem Gegner gegenüber erwähnen, dass Sie eine Schutzschrift hinterlegt haben.

Wenn die Schutzschrift überzeugt, kann das Gericht den eV-Antrag ganz zurückweisen oder nur teilweise erlassen. Zumindest wird häufig eine mündliche Verhandlung angesetzt, wodurch Sie regulär gehört werden.

Verteidigung gegen eine einstweilige Verfügung: Strategien für Antragsgegner

Verteidigungsstrategie gegen eine einstweilige Verfügung

Wenn eine einstweilige Verfügung zugestellt wurde, ist schnelles und besonnenes Handeln gefragt. Der Antragsgegner (also der vormals Abgemahnte) hat mehrere Reaktionsmöglichkeiten, um sich zu wehren oder das Verfahren zu beenden. Wichtige Abwägung: Priorität hat zunächst die Einhaltung der in der eV ausgesprochenen Verbote. Parallel dazu sollte man mit einem im Gebiet versierten Anwalt die Optionen abwägen. Hier die gängigen Strategien im Überblick:

a) Abschlusserklärung abgeben

Wenn Sie bereit sind, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen, können Sie eine Abschlusserklärung abgeben. Damit verzichten Sie auf Rechtsmittel – Sie verpflichten sich, keinen Widerspruch einzulegen.

Der Antragsteller muss keine Hauptsacheklage erheben, das Verfahren ist faktisch abgeschlossen. Vorteil: Es fallen keine weiteren Gerichts- und Anwaltskosten an.

Die Abschlusserklärung muss zeitnah nach Zustellung abgegeben werden – in der Praxis innerhalb von etwa 2-4 Wochen. Wartet man zu lange, fallen oft zusätzliche Kosten an.

b) Widerspruch einlegen

Ist man der Auffassung, die einstweilige Verfügung sei unberechtigt, kann man Widerspruch nach § 924 ZPO einlegen. Der Widerspruch führt zu einer mündlichen Verhandlung, in der Sie erstmals Ihre Sicht darlegen können.

Im Widerspruchsverfahren können Sie sämtliche Einwände vorbringen: fehlender Verfügungsanspruch, Wegfall der Wiederholungsgefahr, fehlende Dringlichkeit, formelle Fehler.

Bestätigt das Gericht nach Verhandlung die eV, wird sie endgültig wirksam und Sie tragen die Kosten. Hebt das Gericht die eV auf, dürfen Sie das beanstandete Verhalten wieder aufnehmen und der Antragsteller trägt die Kosten.

Aber vorsicht: bis zur Entscheidung über den Widerspruch bleibt die einstweilige Verfügung wirksam !

c) "Kosten-Widerspruch"

Ein Spezialfall ist der isolierte Widerspruch nur gegen die Kosten. Hierbei erkennen Sie den Unterlassungsanspruch dem Grunde nach an, wehren sich aber dagegen, die Verfahrenskosten auferlegt zu bekommen.

Dieser Weg ist sinnvoll, wenn die Rechtsverletzung zwar bestand, aber keine Abmahnung erfolgte. Gemäß § 93 ZPO trägt der Antragsteller die Prozesskosten, wenn Sie keinen Anlass zur Klage gegeben haben.

d) Weitere Optionen

Sie können auch einen Antrag nach § 926 ZPO stellen, den Antragsteller zur Erhebung der Hauptsacheklage zu zwingen. Durch den Erzwingungsantrag setzt das Gericht dem Antragsteller eine Frist zur Einreichung der Klage.

Lässt der Antragsteller die Frist verstreichen, wird die eV ohne weiteres aufgehoben. Diese Strategie lohnt sich, wenn Sie glauben, in einem normalen Vollbeweisverfahren bessere Chancen zu haben.

Wichtig: Auf eine einstweilige Verfügung immer reagieren – entweder akzeptieren oder aktiv verteidigen.

Zusammengefasst: Abgemahnte haben vielseitige Verteidigungsmöglichkeiten

Von Kapitulation (Abschlusserklärung) über Teil-Anerkennung (Kostenwiderspruch) bis Kampf (Widerspruch, Hauptsache). Welche Strategie sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab: Wie hoch sind die Erfolgsaussichten, wie wichtig ist es, das Verbot loszuwerden, welches Kostenrisiko kann man tragen? In jedem Fall sollte man die Initiative ergreifen und nicht einfach abwarten. Untätigkeit könnte den Gegner veranlassen, ein teures Hauptsacheverfahren anzustrengen, was die Kostenlawine vergrößert. Auch drohen durch Nichtstun weitere Ordnungsgelder bei Verstößen. Daher gilt die Regel: Auf eine einstweilige Verfügung immer reagieren – entweder akzeptieren (und mitteilen) oder aktiv verteidigen.

Kosten und Risiken einer einstweiligen Verfügung

Die Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bringt erhebliche Kosten mit sich – deutlich mehr als eine außergerichtliche Abmahnung.

Streitwert

Das Gericht setzt für den Unterlassungsanspruch einen Streitwert fest, der die wirtschaftliche Bedeutung widerspiegelt. In Unterlassungssachen sind Streitwerte selten unter 10.000 €; oft liegen sie bei 25.000 €, 50.000 € oder mehr.

Beispielrechnung

In einem einfachen Fall (Abmahnung → eV erlassen → keine Widerspruchsverhandlung) summieren sich die Kosten etwa so: Abmahnkosten ~€ 1200 (bei 20k € Streitwert) + eV-Verfahren (eigene RA-Kosten und Gerichtskosten) ~€ 2400 (netto) = rund € 3.500 gesamt.

Kommt es zum Widerspruchsverfahren mit Verhandlung, steigen die Kosten um eine neue Verfahrens- und Terminsgebühr. Im Beispiel wären nach Widerspruch insgesamt ca. € 6.300 netto angefallen.

Wer zahlt?

Grundsätzlich trägt der Unterlegene die Kosten des Verfahrens. Im Normalfall also Sie als Abgemahnter, wenn die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist.

Der Antragsteller hat die Kosten jedoch zu verauslagen.

Sparpotential

Durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung innerhalb der Abmahnfrist vermeiden Sie das gesamte eV-Verfahren. Selbst nach Zustellung der eV kann eine sofortige Abschlusserklärung weitere Kosten abwenden.

Die Maxime lautet: Kostenexplosion vermeiden durch rechtzeitige Reaktion.

Zusammenfassend: Ein einstweiliges Verfügungsverfahren ist ein teures Unterfangen. Wer eine Abmahnung ignoriert, riskiert, dass sich die Kosten mehr als verdreifachen. Die folgende Tabelle zeigt eine beispielhafte Kostenentwicklung:

Verfahrensstand Streitwert Anwaltskosten
(können sich verdoppeln, wenn die gegnerischen Anwaltskosten zu tragen sind)
Gerichtskosten Gesamtrisiko
(ca.) mit Kosten Gegner für den Fall des Unterliegens
Nur außergerichtliche Abmahnung 20.000 € 1.100 € 0 € 2.200 €
Einstweilige Verfügung (ohne Verhandlung) 20.000 € 1.100 € 1.215 € 3.400 €
Einstweilige Verfügung (mit Widerspruch) 20.000 € 3.300 € 2.430 € 9.000 €

Fazit zu den Kosten: Die Drohung mit einer einstweiligen Verfügung hat erhebliches Gewicht, weil sie ein hohes Kostenrisiko für den Abgemahnten bedeutet. Daher ist es oft wirtschaftlich sinnvoll, eine berechtigte Abmahnung zu akzeptieren, anstatt es auf ein teures Gerichtsverfahren ankommen zu lassen. Umgekehrt gilt: Wer eine unberechtigte eV erwirkt, riskiert ebenfalls, auf hohen Kosten sitzen zu bleiben.

Fazit: Ruhe bewahren, rechtzeitig handeln

Die einstweilige Verfügung ist eine der schärfsten Waffen im zivilrechtlichen Arsenal. Sie ermöglicht es Rechteinhabern, Rechtsverstöße extrem schnell und effektiv zu unterbinden, oft ohne dass der Gegner überhaupt zu Wort kommt. Für den Abgemahnten ist sie ein Damoklesschwert: Sie droht mit sofortiger Unterlassungspflicht und erheblichen Kosten.

Die Eskalation von der Abmahnung zur einstweiligen Verfügung ist im gewerblichen Rechtsschutz ein häufiger, aber ernstzunehmender Vorgang. Eine eV setzt eine verbindliche gerichtliche Regelung – wer hier Fehler macht, riskiert hohe Ordnungsgelder und Prozesskosten.

Es kommt entscheidend auf zwei Dinge an: Zeit und Substanz. Abmahnfristen einhalten, schnell reagieren, Widerspruch nicht verschleppen. Zum anderen zählt die inhaltliche Vorbereitung – bereits bei der Abmahnung die Weichen stellen.

Wer Abmahnungen ignoriert, läuft Gefahr, dass der Abmahner mit der eV einen "Turbo" einlegt. Doch Sie sind nicht wehrlos: Von der Abschlusserklärung bis zum Widerspruch gibt es Wege, das Verfahren zu beeinflussen.

Wichtig ist, dass Sie keine Zeit verlieren und idealerweise einen erfahrenen Anwalt einschalten. Gerade weil einstweilige Verfügungen ein komplexes Wechselspiel aus materiellem Recht, Verfahrensrecht und Taktik darstellen, ist juristischer Rat Gold wert.

Letztlich ist das Verfahren ein Balanceakt: Es schützt die berechtigten Interessen von Rechteinhabern vor irreparablen Schäden, birgt aber auch die Gefahr des Missbrauchs und hoher Kosten. Wer eine Abmahnung erhält, muss daher schnell, aber überlegt handeln. Es gilt, die Rechtslage zu prüfen (oder sie durch einen Anwalt prüfen zu lassen), die eigenen wirtschaftlichen Interessen und das Kostenrisiko abzuwägen. Ob man eine Unterlassungserklärung abgibt, eine Abschlusserklärung unterzeichnet oder den Kampf per Widerspruch aufnimmt – jede Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen.

Sie haben eine Abmahnung erhalten oder wurden mit einer einstweiligen Verfügung konfrontiert?

Zögern Sie nicht, fachkundigen Rat einzuholen. Unsere Kanzlei steht Ihnen mit langjähriger Erfahrung im Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht zur Seite. Wir handeln schnell, strategisch und kosteneffizient. Kontaktieren Sie uns jetzt für eine kostenlose Erstberatung auf odclegal.de – damit aus einer Abmahnung kein kostspieliges Gerichtsverfahren wird.

Jetzt Beratungsgespräch vereinbaren

FAQ – Häufige Fragen zur einstweiligen Verfügung nach einer Abmahnung ⁉❓

Was ist eine einstweilige Verfügung?

Eine einstweilige Verfügung ist ein gerichtlicher Eilbeschluss, der vorläufig – aber mit sofortiger Wirkung – bestimmte Handlungen gebietet oder verbietet. Sie dient dazu, eine Rechtsverletzung schnell zu stoppen, bevor ein langes Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Typischerweise wird sie ohne Anhörung des Gegners erlassen und ähnelt in der Wirkung einem vorläufigen Unterlassungsurteil (sie ist jedoch keine endgültige Entscheidung).

Was passiert nach einer einstweiligen Verfügung?

Nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung sind Sie zur sofortigen Einhaltung verpflichtet. Sie müssen das beanstandete Verhalten unverzüglich einstellen, auch wenn Sie die Entscheidung für ungerechtfertigt halten. Die kann z.B. bedeuten, dass Sie ihren Webauftritt sofort umstellen müssen, oder Produkte mit bestimmten Labels nicht mehr vertreiben dürfen.

Gleichzeitig können Sie Widerspruch einlegen, eine Abschlusserklärung abgeben oder Widerspruch gegen die Kostenentscheidung erheben. Sollten Sie sich nicht an die Anordnung halten, drohen Ordnungsgelder bis 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten pro Verstoß.

Wann ist eine Abmahnung unwirksam?

Eine Abmahnung kann aus verschiedenen Gründen unwirksam werden: wenn sie schwerwiegende formale Mängel aufweist (z.B. fehlende Begründung des beanstandeten Verhaltens), wenn das beanstandete Verhalten nicht konkret genug beschrieben ist, wenn die Abmahnfrist unangemessen kurz ist oder wenn die Abmahnung zu lange nach dem Verstoß erteilt wird und damit verjährt ist. Wichtig ist auch, dass eine Abmahnung das beanstandete Verhalten hinreichend deutlich machen muss. Die Unwirksamkeit einer anwaltlichen Abmahnung ist eher die Seltenheit ! Überlassen Sie die Überprüfung unbedingt einer erfahrenen Fachanwältin.

Wie hoch sind die Kosten für eine einstweilige Verfügung?

Die Kosten hängen vom Streitwert ab, der das Gericht festlegt. In Unterlassungssachen liegen diese typically zwischen 10.000 € und mehreren Millionen Euro. Bei einem angenommenen Streitwert von 20.000 € kostet eine einstweilige Verfügung ohne Widerspruchsverhandlung ca. 3.000-4.000 € (inklusive Anwalts- und Gerichtskosten). Mit Widerspruchsverfahren können die Gesamtkosten 6.000-8.000 € übersteigen.

Welche Beweismittel sind für eine einstweilige Verfügung zulässig?

Im einstweiligen Verfügungsverfahren genügt eine Glaubhaftmachung statt eines vollständigen Beweises. Zulässige Beweismittel sind eidesstattliche Versicherungen, Screenshots, Fotos, Urkunden und schriftliche Dokumente. Eine vollständige Beweisaufnahme mit Zeugenvernehmung findet nicht statt – das Verfahren ist auf Geschwindigkeit ausgerichtet.

Teilen Sie diesen Artikel
Sarah Op den Camp
Sarah Op den Camp
Sarah Op den Camp ist Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Urheber- und Medienrecht. Mit über zehn Jahren Berufserfahrung berät sie Unternehmer, Start-ups und Freelancer in den Bereichen Gesellschaftsrecht, IP, IT, Medienrecht und Venture Capital. Ihre juristische Expertise erstreckt sich von der Gründungsberatung über komplexe Vertragsgestaltungen bis hin zu Abmahnungen und Prozessführung. Dank ihrer Erfahrung als Inhouse-Juristin kennt sie die spezifischen Bedürfnisse von B2B-Mandanten und entwickelt maßgeschneiderte Lösungen, die Ihre unternehmerischen Ziele unterstützen.

Vereinbaren Sie jetzt Ihr Erstgespräch

Erfahren Sie, wie wir Ihnen helfen können und erhalten Sie wertvolle rechtliche Beratung.

Sarah Op den Camp von ODC Legal im Beratungsgespräch